Von sieben Tannen

Von sieben Tannen und vom Schnee

Im Mittelpunkt des Gottesdienstes zum dritten Advent am 15. Dezember 2024 stand die märchenhafte Geschichte „Von sieben Tannen und vom Schnee“ von Thomas Bernhard. In ihrer Kurzpredigt verband Veronika Kabis die Geschichte mit Gedanken des Apostels Paulus über die Hoffnung.

Predigt über Römer 15,7-13

Thomas Bernhard, der Autor der Geschichte von den Sieben Tannen und vom Schnee, ist einer der ganz großen Schriftsteller aus Österreich – aber er gilt nicht gerade als liebenswürdig, sondern ihm haften eher die Attribute Polemiker, Nestbeschmutzer, Skandalautor an. Und dann diese märchenhafte Erzählung mit ihren christlichen Motiven. Ein Junge, der auf wundersame Weise drei Heiligen durch die winterliche Landschaft folgt und sieben Tannen begegnet: der Schönheit, der Wahrheit, der Reinheit, der Vernunft, dem Glauben, der Hoffnung und der Liebe. Diese letzten zwei Tannen sind die kleinsten: die Hoffnung und die Liebe. Der Junge beschließt, sich um sie zu kümmern, sie zu hegen und zu pflegen. Mich hat diese Geschichte verzaubert. Da hat ein bärbeißiger Schriftsteller sehr viel verstanden vom Wesen der Weihnacht.

Klein und hilflos sind sie, die Hoffnung und die Liebe. So klein und hilflos wie das Kind in der Krippe. Ausgeliefert der kalten, harten Welt. Nur ein Kind kann nachfühlen, wie sehr sie angewiesen sind auf Fürsorge und Wärme.

Wir sehen auf die Welt von heute und sagen: Es ist alles so schlimm. Wir erinnern uns an das Kind in der Krippe, in der Kälte und der Not, und müssen feststellen: Es war schon immer vieles schlimm. In den letzten Jahrzehnten ging es vielen von uns hierzulande nur womöglich zu gut, um die Not von anderen zu sehen. Die alten biblischen Geschichten erinnern daran, dass wir uns vielleicht etwas vorgemacht haben.

Die Liebe wächst nicht von allein. Sie braucht die tätige Mitwirkung von Menschen, die sich ihrer annehmen und in ihrem Sinne handeln. Glaube, Liebe, Hoffnung – diese drei, aber die größte unter ihnen ist die Liebe. So heißt es beim Apostel Paulus. Und wenn die größte nicht die Liebe, sondern die Hoffnung wäre? Wenn unser Leben und Überleben heute davon abhinge, die Hoffnung nicht zu verlieren? Wieder in eine Haltung der Hoffnung und damit in eine Haltung der Offenheit hineinzufinden? Offen dafür, dass auch wir noch eine Chance haben, dass auch uns das kleine, verletzliche Kind, die kleinen schutzlosen Tannen daran erinnern, dass wir uns ganz tief hinunterbeugen müssen, um das wiederzufinden, was wirklich zählt: die zarte Wurzel eines Glaubens, der über uns hinausweist, der die menschliche Hybris und die Gigantomanie in dieser Welt in ihre Schranken weist.

„Deshalb wünsche ich für euch alle“, sagt der Apostel Paulus, „dass Gott, der diese Hoffnung schenkt, euch in eurem Glauben mit großer Freude und vollkommenem Frieden erfüllt, damit eure Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes wachse.“

Wenn ich mir dieses Jahr zu Weihnachten etwas wünschen dürfte, das nicht mit Geld zu kaufen ist, dann ist es die Hoffnung. Ich fand es noch nie so schwer, die Hoffnung nicht zu verlieren. Aber ohne Hoffnung bin ich nicht mehr in der Lage, die Zukunft mitzugestalten. Ohne Hoffnung verdunkelt sich der Horizont vollends. Das darf doch nicht sein! Die Liebe ist untrennbar mit der Hoffnung verbunden. Ein Kind in der Krippe und ein kleiner Junge, der sich um zwei zarte Tannen kümmert: Das sind Geschichten, ein bisschen kitschig vielleicht, aber die uns anrühren und unser Herz weich machen, damit die Hoffnung wieder Einzug halten kann.