Einfach himmlisch

Gottesdienst zum Jahr der Stimme

Es war ein toller Filmgottesdienst mit Ausschnitten von „Wie im Himmel“, den die Gemeinde am Lorenzberg am 26. Oktober 2025 gefeiert hat. Rund 100 Gäste sind gekommen. Der Chor FrauenStimmen unter Leitung von Amei Scheib hat gesungen – unter anderem das wunderbare Lied „Gabriellas Song“.

Vom Zauber des Singens erzählt auch der Film „Wie im Himmel“. Es ist die Geschichte eines Dirigenten, der sich nach einem Herzinfarkt in sein schwedisches Heimatdorf zurückzieht. Hier lässt er sich dazu überreden, den Kirchenchor zu dirigieren. Dabei wird ihm wieder bewusst, was im Leben und in der Musik wirklich wichtig ist.

In der Gottesdienstwerkstatt Anfang des Jahres wurde die Idee eingebracht, Gottesdienste zum Jahr der Stimme zu gestalten – darunter nun auch ein Gottesdienst, der sich dem Chorgesang widmet. 

Gabriellas Song

Drei Impulse aus dem Gottesdienst

Über die Liebe

Es geht um die Musik, es geht um die Freiheit und es geht um die Liebe in diesem Film. Immer wieder geht es um die Liebe. Da ist die junge Frau, Lena, die in ihrer Arglosigkeit immer wieder auf Männer reinfällt – aber trotzdem nicht bereit ist, ihr Vertrauen in die Liebe und in die Menschen aufzugeben. Da ist Conny, Gabriellas Mann, der glaubt, es sei ein Zeichen von Liebe, wenn er seine Frau als seinen Besitz betrachtet, den er behandeln darf, wie er will – und sie dabei halb totschlägt. Da ist Stig, der Pfarrer, der von Gottes großer Liebe predigt, aber seine Frau nicht lieben und begehren kann.

Ausgerechnet ein Pfarrer wird also zu Daniels Gegenspieler. In dem Maße, wie Daniel sich weiterentwickelt, wie er lernt, auf sein Herz zu hören, sich zu öffnen und neugierig zu werden auf andere Menschen, verbohrt sich Stig immer weiter in seinen Starrsinn, sein autoritäres Denken und seine Menschenfeindlichkeit. Die Bibel zieht er dabei zu seiner Rechtfertigung heran. Verkehrte Welt: Der die Liebe predigt, endet im Hass. Der die Liebe fast aufgegeben hatte, findet sie.

Der Pfarrer im Film erfüllt so manches Klischee eines Kirchenmannes. Natürlich sind nicht alle Kirchenleute so engstirnig, autoritär und heuchlerisch. Das wäre ja schlimm. Aber es liegt ein Risiko in der Machtfunktion, die der Pfarrer innehat, gerade in einem Dorf, und in der Deutungsmacht über Moral und Anstand, die er sich anmaßt. Und dieses Risiko gibt es nicht nur im Film, das ist ganz real. Strenge Sexualmoral, Vertuschung von Missbrauch, die Verurteilung queerer Lebensformen: In Kirchen wird im Namen der Bibel viel Schindluder getrieben mit der Liebe – bis heute.

Dabei gibt es in der Bibel so wunderschöne, in ihrem befreienden Potenzial ernst gemeinte, mehr als zweitausend Jahre alte Texte über die Liebe. Darin heißt es nicht: Die Liebe stolziert herum. Die Liebe macht andere klein. Die Liebe kontrolliert andere. Nein, es heißt dort vielmehr:

Die Liebe fällt nicht auf
und stellt sich nicht zur Schau.
Sie verletzt nicht.
Sie greift nicht an.
Sie sucht keinen Gewinn.

Es heißt in der Bibel auch nicht: Wer einmal schlechte Erfahrungen in der Liebe gemacht hat, soll sich vor ihr in Acht nehmen. Es heißt stattdessen:

Die Liebe wird nicht bitter
durch bittere Erfahrung.
Sie trauert über das Unrecht
und freut sich über die Wahrheit.

(1 Kor 13, Übertragung: Jörg Zink)

Über die Musik

Musik erreicht das sonst Unerreichbare im Menschen, sie lindert Angst und weicht Verhärtetes auf. Über Musikerfahrung, und insbesondere über das Singen, kann sich von innen her ereignen, was auf der Ebene des Wortes oft nicht möglich ist. Musik öffnet auch wie kaum sonst etwas die Zugänge zum Spirituellen. Sie ist real und doch nicht greifbar. Sie bringt tiefe Sehnsüchte an die Oberfläche des Bewusstseins. Musik hebt Grenzen auf und erdet zugleich.

Ich erlebe die Freude, die Musik bereitet, zum einen bei mir selbst. Ich erlebe sie aber auch bei den anderen, wenn ich einen Chor leite. Die Freude der Sängerinnen und Sänger überträgt sich dann wieder auf mich, und das macht mich froh. Ich erlebe, wie das Singen Stress abbaut und zu Entspannung führt. Wie sie Glücksgefühle hervorruft und tröstet. Es ist eine richtiggehend körperliche Erfahrung: Die Musik beeinflusst den Herzschlag, den Blutdruck und den Atem. Dadurch wirkt sie mal beruhigend, mal belebend. Ich mache die Erfahrung, dass das eigene Musizieren es mir ermöglicht, Gefühle zu kanalisieren und zu verarbeiten.  Musik erzeugt eine Resonanz mit etwas, das über uns hinausgeht.

Im Film spricht Daniel von einer solchen Resonanzerfahrung, die er vor vielen Jahren beim Dirigieren gemacht hat. Er erzählt: „Mitten im Konzert ging der Strom aus. Die Musiker hörten nicht auf zu spielen. Ich konnte nur alles dem Orchester überlassen. Sie hörten aufeinander. So habe ich es zum ersten Mal erlebt. Mir war so, als ob ich dadurch etwas verstehen sollte. 95 Sekunden lang hatten alle Sinne sich vereint. Dass alles schon da ist: Das ist das große Geheimnis. Wenn alle davon wissen, dann holen wir die Musik.“

Nicht im großen Konzertsaal, sondern in der Dorfkirche, im Chor mit seinen unvollkommenen Sängerinnen und Sängern erlebt Daniel den Trost der Musik. Hier erfährt er Gemeinschaft.

Über die Freiheit

Ein zentrales Thema im Film ist BEFREIUNG. Befreiung geschieht durch die Kraft der Musik und durch die Macht der Liebe. Beide berühren das Herz und erwärmen die Seele. Sie verwandeln die Menschen und geben neuen Lebensmut.

Da ist zum Beispiel ein alter Mann aus dem Chor, der einer Frau, die er seit Kindheitstagen kennt, vor den Augen und Ohren der anderen eine Liebeserklärung macht, eine Liebeserklärung, die er sein ganzes Leben lang in seinem Herzen verschlossen hielt.

Da ist aber auch der korpulente Mann aus dem Chor, der seit seiner Schulzeit von den anderen ausgelacht wird, jetzt aber endlich den Mut aufbringt, gegen diese Demütigungen aufzubegehren und das Mobbing nicht länger zu erdulden.

Auch die Pfarrersfrau Inga befreit sich. Sie löst sich von ihrem verklemmten, scheinheiligen Mann und hat den Mut, ihm die Wahrheit zu sagen:
„Ich habe zurückgehalten, was ich fühlte und wollte.“
„Die Kirchen machen aus der Sexualität eine Sünde, nicht Gott!“
„Vergiss die Sünde, sie gibt es nur in deinem Herzen.“
„Daniel zeigt Gefühle, die du schon verdrängst hast. Nicht ihn willst du loswerden, sondern was in dir zum Vorschein kommt!“

Inga befreit sich von ihrem rigiden, lebensfeindlichen Ehemann und gesteht, „dass sie schon lange nicht mehr so gelacht hat“.

Gabriella, eine Mutter von zwei kleinen Kindern, die der Gewalt ihres brutalen Ehemanns ausgeliefert ist, fühlt sich klein und unbedeutend. Aber bei einem Auftritt des Chors, den auch ihr Mann besucht, singt sie sich mit einem kraftvollen Lied frei. Sie glaubt an eine bessere Zukunft und vertraut in ihre eigenen Kräfte.

Mich hat bei allen diesen Personen beeindruckt, dass sie sich durch die Kraft der Musik und der Liebe aus ihren Fesseln, ihren Ängsten, den gesellschaftlichen Konventionen und Zwängen lösen, nicht länger schweigen und erdulden, sondern selbstbestimmt ihren Weg gehen wollen. Das ist für mich das Faszinierende an diesem Film.