Grenzenlos

Deutsch-französischer Gottesdienst

Offene Grenzen, Grenzen im Kopf, Grenzgängertum im Glauben: Die Grenze war das Thema eines zweisprachigen Gottesdienstes am 28. September in der Evangelischen Kirche am Lorenzberg. Für passende Musik sorgte der lothringische Liedermacher Elvis Stengel, der selbstgeschriebene Lieder in Lothringer Platt im Gepäck hatte. Die Predigt von Veronika Kabis in deutscher und französischer Sprache kann man unten nachlesen.Interkulturelle Woche 2025

Liebe Gemeinde,

Ich hätte auch einen Studienplatz in Heidelberg haben können, einer der schönsten Städte Deutschlands. Aber ich habe mich für Saarbrücken entschieden. Ich wusste so gut wie nichts von Saarbrücken, außer dass es an der Grenze liegt. Das hat genügt. Ich wollte an die Grenze, denn Grenzen faszinieren mich. Jetzt lebe ich seit 42 Jahren in Saarbrücken und liebe den Grenzraum noch immer. Ich mag es, auf meinem Weg in die alte Heimat Freiburg zweimal über die Grenze zu fahren: bei Saargemünd rüber nach Frankreich, und bei Straßburg zurück nach Deutschland. Ich kaufe gerne Fisch und Käse bei Auchan oder Cora, und es macht mir Freude, die Unterschiede im Straßenbild zu suchen, wenn ich kurz mal rüberfahre: die andere Bauweise, die üppigere Blumendekoration, die schnurgeraden Straßen und Alleen.

Die neue Freiheit

Im besten Fall sollten es natürlich offene Grenzen sein. Keine Grenzen mit Schlagbäumen, Stacheldraht oder Mauern. Ich erinnere mich noch gut an den Tag, an dem das Schengener Abkommen in Kraft trat. Das war 1995. Ich bin mehrmals den Spicherer Berg rauf und runter gefahren, immer wieder neben der offenen Schranke an dem nun leerstehenden Grenzhäuschen vorbei. Ich habe das Straßenschild „Rue de la frontière“ fotografiert als Illustration für einen kleinen Zeitungsartikel. Darin habe ich begeistert darüber geschrieben, wie sich die neue Freiheit an der Grenze anfühlt.

Die Begeisterung kann einem im Halse stecken bleiben, wenn man an die schlimmen Zeiten denkt, in denen der Grenzraum zur Falle wurde: für Menschen, die auf einmal gegen Freunde und Verwandte in den Krieg ziehen mussten, für Nachbarinnen und Nachbarn, die zu Feinden gemacht wurden. Es ist noch immer wie ein Wunder, dass die Feindschaft zwischen Deutschland und Frankreich überwunden werden konnte.

Grenzen sind ambivalent

Wer im Grenzraum lebt, ist schnell verdächtig. Sind diese Leute überhaupt loyal, wenn es darauf ankommt? Verbrüdern sie sich nicht zu leicht mit denen auf der anderen Seite der Grenze? Ja, Grenzen sind ambivalent, sie be-grenzen schließlich, sie können einengen, sie fordern heraus. Grenzgänger können ein Lied davon singen, wie kompliziert es sein kann, in Frankreich zu wohnen und in Deutschland zu arbeiten, die Kinder in dem einen Land zur Schule zu schicken und den Alltag im anderen Land zu leben. Grenzen beruhigen und beunruhigen zugleich.

Grenzen faszinieren. Von Paul Tillich, einem Grenzgänger zwischen Theologie und Philosophie, stammt der Satz: „Die Grenze ist der eigentlich fruchtbare Ort der Erkenntnis.“ Das fängt damit an, dass wir Dinge einordnen und abgrenzen müssen, um sie überhaupt begreifen zu können. So entstehen auch die Schubladen in unseren Köpfen, die wir jedes Mal unbewusst aufziehen, wenn wir jemanden zum ersten Mal sehen. Dieser neue Mensch wird in Sekundenschnelle taxiert, vermessen, verglichen, abgegrenzt von anderen – und dann erstmal in eine Schublade gesteckt.

Will ich mich von meinen Vorurteilen nicht leiten lassen, muss ich im nächsten Schritt mein eigenes Urteil prüfen. Ich muss die Schublade wieder aufziehen und neugierig und unvoreingenommen auf diesen Menschen schauen. Es ist ein Spiel mit den eigenen Grenzen, das sich wieder und wieder vollzieht, mein Leben lang. Die Kunst besteht darin, die eigenen Grenzen nicht zu eng werden zu lassen, sie im Gegenteil zu weiten, durchlässig werden zu lassen und manchmal über sie hinauszugehen. Bei all dem gibt es ein legitimes Recht, die eigenen Grenzen auch zu schützen, sich vor Grenzüberschreitungen durch Dritte zu verwahren.

Grenzen und der Glaube

Was hat die Grenze mit Gott zu tun? Für Paul Tillich ist „das Dasein auf der Grenze, die Grenzsituation, voller Spannung und Bewegung. Sie ist in Wirklichkeit kein Stehen, sondern ein Überschreiten, ein Zurückkehren, ein Wiederzurückkehren, ein Wiederüberschreiten, ein Hin und Her, dessen Ziel es ist, ein Drittes, jenseits der begrenzten Gebiete zu schaffen.“ Gott selbst ist es, der sich dieser Kategorie des „begrenzten Gebiets“ entzieht, der nur im bewegten, unbestimmten Grenzraum zu finden ist. Der Grenzen setzt und sich zugleich nicht begrenzen lässt. Wenn ich versuche, Gott mit meinen begrenzten sprachlichen Möglichkeiten festzuhalten, kann ich ihn nur verfehlen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich Gott nie näherkomme als dort, wo Grenzen, Strukturen und Ordnungen verschwimmen und unbegrenzte Weite entsteht: etwa in der Meditation, in der Musik, in der Natur.

Gott ordnet die Welt

Was aber hat die Schöpfungsgeschichte, die ich als biblischen Text dieser Predigt vorangestellt habe, mit Grenzen zu tun? In der Schöpfungsgeschichte, die das erste Buch Mose in wunderschönen Bildern erzählt, ordnet Gott die Welt, indem er die Dinge voneinander scheidet, indem er also Grenzen zieht: zwischen Wasser und Land, zwischen Himmel und Erde, zwischen Tag und Nacht. Auch hier gilt also: Zunächst muss eine Ordnung hergestellt werden. Die Ordnung hilft uns, die Dinge zu erkennen und zu verstehen. Die Grenzen geben uns Orientierung und Sicherheit.

Dann aber geht es darum, mit diesen Grenzen zu spielen, sie nicht zu eng werden zu lassen. Im weiteren Verlauf der Bibel geht es immer wieder darum, Grenzen als Aufforderung zum Perspektivwechsel zu betrachten. Die Bibel erzählt viele Geschichten von Grenzen: Sie ist voll von Fluchtgeschichten und Kriegsgeschichten, sie beklagt, dass es den Menschen nicht gelingt, friedlich über Grenzen hinweg miteinander zu leben. Die Bibel erzählt von menschlichen Grenzen: von Brüdern, die einander an den Kragen gehen; von Propheten, die nicht aus ihrer Haut können; von Jüngerinnen und Jüngern, denen die Angst enge Grenzen setzt. Jesus selbst wiederum war ein Grenzgänger, der Tabugrenzen überschritt, sich mit ausgegrenzten Menschen einließ und schließlich durch seinen freiwilligen Tod eine letzte große Grenzüberschreitung hinnahm.

Das Grenzgängertum erproben

Hier an der deutsch-französischen Grenze und nahe der Grenze zu Luxemburg haben wir eine große Chance: Wir können täglich das Grenzgängertum erproben, wir können uns grenztauglich machen, uns auf die Grenze stellen und den Blick in alle Richtungen schweifen lassen und die Vielfalt genießen. Wir können uns durchlässig machen und uns vom Geist der Offenheit, Toleranz und Völkerverständigung durchwehen lassen, der von der Geistkraft Gottes angefacht wird. Wir können Vorbild sein für einen souveränen Umgang mit Grenzen, der nicht von Angst, sondern von grenzenlosem Gottvertrauen getragen ist.

Amen. Und der Friede Gottes, der höher ist als alles, was wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus Amen

Elvis Stengel mit lothringischen Liedern

Traduction

J’aurais pu obtenir une place à l’université de Heidelberg, l’une des plus belles villes d’Allemagne. Mais j’ai choisi Sarrebruck. Je ne savais pratiquement rien de Sarrebruck, si ce n’est que cette ville se trouve à la frontière. Cela m’a suffi. Je voulais aller à la frontière, car les frontières me fascinent.

Cela fait maintenant 42 ans que je vis à Sarrebruck et j’aime toujours autant cette région frontalière. J’aime traverser deux fois la frontière pour me rendre dans mon ancienne ville natale, Fribourg : à Sarreguemines pour passer en France, puis à Strasbourg pour revenir en Allemagne.

J’aime acheter du poisson et du fromage chez Auchan ou Cora, et j’aime chercher les différences dans le paysage urbain lorsque je passe de l’autre côté : les constructions différentes, les décorations florales plus luxuriantes, les rues et les avenues rectilignes.

Dans l’idéal, il faudrait bien sûr que les frontières soient ouvertes. Pas de frontières avec des barrières, des barbelés ou des murs. Je me souviens encore très bien du jour où l’accord de Schengen est entré en vigueur. C’était en 1995. J’ai gravi et descendu plusieurs fois les hauteurs de Spicheren en voiture, passant à chaque fois devant la barrière ouverte et la guérite désormais vide.

J’ai photographié le panneau « Rue de la frontière » pour illustrer un petit article de journal. J’y ai décrit avec enthousiasme ce que je ressentais face à cette nouvelle liberté à la frontière.

La situation est tout autre quand on pense aux moments difficiles où la zone frontalière est devenue un piège : pour les personnes qui ont soudainement dû partir en guerre contre leurs amis et leurs proches, pour les voisins qui sont devenus des ennemis. C’est encore aujourd’hui un miracle que l’hostilité entre l’Allemagne et la France ait pu être surmontée. Ceux qui vivent dans la zone frontalière sont rapidement suspects. Ces personnes sont-elles vraiment loyales quand il le faut ? Ne fraternisent-elles pas trop facilement avec ceux qui vivent de l’autre côté de la frontière ?

Oui, les frontières sont ambivalentes, elles délimitent, elles peuvent restreindre, elles peuvent être un défi. Les frontaliers savent combien il peut être compliqué de vivre en France et de travailler en Allemagne, d’envoyer ses enfants à l’école dans un pays et de vivre au quotidien dans l’autre. Les frontières rassurent et inquiètent à la fois.

Les frontières fascinent. Paul Tillich, qui oscillait entre théologie et philosophie, a dit : « La frontière est le lieu véritablement fertile de la connaissance. » Cela commence par le fait que nous devons classer et délimiter les choses pour pouvoir les comprendre. C’est ainsi que se créent les « tiroirs » dans notre esprit, que nous ouvrons inconsciemment chaque fois que nous voyons quelqu’un pour la première fois. En quelques secondes, cette nouvelle personne est évaluée, mesurée, comparée, délimitée par rapport aux autres, puis classée dans une catégorie.

Si je ne veux pas me laisser guider par mes préjugés, je dois ensuite remettre en question mon propre jugement. Je dois rouvrir cette catégorie et regarder cette personne avec curiosité et sans préjugés. C’est un jeu avec mes propres limites qui se répète sans cesse, tout au long de ma vie. Tout l’art consiste à ne pas laisser mes limites devenir trop étroites, mais au contraire à les élargir, à les rendre perméables et parfois à les dépasser. Dans tout cela, il existe un droit légitime à protéger ses propres limites, à se prémunir contre les transgressions de tiers.

Quel est le rapport entre la frontière et Dieu ? Pour Paul Tillich, « l’existence à la frontière, la situation frontalière, est pleine de tension et de mouvement. En réalité, il ne s’agit pas d’une immobilité, mais d’un dépassement, d’un retour, d’un nouveau retour, d’un nouveau dépassement, d’un va-et-vient dont le but est de créer un troisième espace, au-delà des territoires limités ».

C’est Dieu lui-même qui échappe à cette catégorie de « territoire limité », qui ne se trouve que dans l’espace frontalier mouvementé et indéfini. Il fixe les frontières et ne se laisse pas limiter en même temps. Si j’essaie de saisir Dieu avec mes capacités linguistiques limitées, je ne peux que le manquer. J’ai fait l’expérience que je ne me rapproche jamais autant de Dieu que là où les frontières, les structures et les ordres s’estompent et où une étendue illimitée apparaît : par exemple dans la méditation, dans la musique, dans la nature.

Mais quel est le rapport entre le récit de la création, que j’ai placé en exergue de ce sermon, et les frontières ? Dans le récit de la création, que le premier livre de la Genèse raconte à travers de magnifiques images, Dieu ordonne le monde en séparant les choses les unes des autres, c’est-à-dire en traçant des frontières : entre l’eau et la terre, entre le ciel et la terre, entre le jour et la nuit.

Ici aussi, il faut d’abord établir un ordre. L’ordre nous aide à reconnaître et à comprendre les choses. Les frontières nous donnent une orientation et une sécurité. Mais il s’agit ensuite de jouer avec ces limites, de ne pas les laisser devenir trop étroites.

Dans la suite de la Bible, il est question à plusieurs reprises de considérer les limites comme une invitation à changer de perspective. La Bible raconte de nombreuses histoires de limites : elle regorge d’histoires de fuite et de guerre, elle déplore que les hommes ne parviennent pas à vivre ensemble pacifiquement au-delà des frontières.

La Bible parle des limites humaines : des frères qui s’entre-déchirent, des prophètes qui ne peuvent changer leur nature, des disciples à qui la peur impose des limites étroites. Jésus lui-même était un passeur de frontières qui a transgressé les tabous, s’est engagé auprès des personnes marginalisées et a finalement accepté, par sa mort volontaire, une dernière grande transgression.

Ici, à la frontière franco-allemande et près de la frontière luxembourgeoise, nous avons une grande chance : nous pouvons tester chaque jour le statut de frontalier, nous pouvons nous adapter à la frontière, nous placer à la frontière et laisser notre regard vagabonder dans toutes les directions et profiter de la diversité. Nous pouvons nous rendre perméables et nous laisser envahir par l’esprit d’ouverture, de tolérance et de compréhension entre les peuples, qui est alimenté par la puissance spirituelle de Dieu. Nous pouvons être un exemple de gestion souveraine des frontières, qui n’est pas motivée par la peur, mais par la confiance illimitée en Dieu.

Amen.